2014 Frühjahrssemester

ORTE SCHAFFEN
ist ein Projekt für den Dialog zwischen Wissenschaft, Wirtschaft, Politik, Handwerk, Architektur und anderen Disziplinen. Die Kernidee besteht darin, Räume zu schaffen, die einen unmittelbaren Bezug zu ihren Bewohnern haben. Wir vertreten die Überzeugung, dass der Mensch erst aus dem Überschaubaren heraus fähig und bereit ist, wirksame Motivationen zu entwickeln und schlussendlich Verantwortung für den eigenen Ort und für die Umwelt zu übernehmen. Dabei sind wir uns bewusst, dass dieses Überschaubare nicht für alle Aspekte der menschlichen Existenz in dieser Welt steht. Das Projekt Orte schaffen will an spezifischen Themen forschen, die uns bewegen und die als verantwortlich für die Vernichtung von Differenzen und kultureller Vielfalt betrachtet werden. Die Kooperation zwischen Forschern, Spezialisten aus den verschiedensten Fachgebieten, Lehrern und Studierenden, Planern und Entscheidungsträgern wird gesucht und soll möglichst konkret und praxisorientiert sein.

Das Adulamassiv gehört zu den grössten Gebieten der Schweiz ohne bedeutende menschliche Eingriffe. Die Hochebene Greina bildet die Kernzone dieses über 1000 km2 grossen Landschaftsraumes. Hier soll der grösste Nationalpark der Schweiz entstehen. Die Initianten hoffen auf einen Lebensraum, in dem der Mensch im Einklang mit der Natur lebt und arbeitet.

Unser Ansatz für das Adula liegt primär in der Schaffung eines eigenständigen Ortes und Territoriums. Ein Ort, der durch seine spezifische Eigenheit in Differenz zu anderen Orten steht und damit auch einen Beitrag für das jeweils Andere leistet. In diesem Raum könnte der Beweis erbracht werden, dass durch eine aus dem Ort schöpfende Entwicklung räumliche Differenzen erzeugt werden, die weder auf dem Zerfall im Sinne der Brache noch auf der vorbehaltslosen Freizügigkeit der Marktkräfte beruhen. Orte schaffen heisst zuletzt überzeugend handeln. Solche Bewusstheit kann jene Art der Verantwortung hervorbringen, die einer gleichmachenden Gleichgültigkeit zu widerstehen vermag.

Im Adula soll auch ein Ort auf dem Weg zu einem dringend benötigten, veränderten Verhältnis zwischen Mensch und Natur angedeutet werden. In dieser Idee könnten die einseitigen Interessen eines solchen Projektes (oder einer Parkvorstellung) aufgelöst werden. Weder dem blossen Schutz der Natur, noch der ausschliesslichen Ausrichtung auf die Ökonomie soll das Territorium überlassen werden. Unser Ziel ist eine Versöhnung zwischen den Extrempositionen Schutz und Markt – eine Lebensform, in der sich die Unterscheidung von Natur und Kultur auflöst. Eine solche Lebensform würde das Scheitern beider Positionen überwinden: das der Schützer und jenes der frenetischen Entwickler. Beiden Kräften gelingt die Verwirklichung ihrer Hauptziele nämlich nicht; die einen vermögen den Schutz als umfassende Haltung der Gesellschaft nicht durchzusetzen, die anderen bringen keine dauerhaften und organischen Modelle des Wirtschaftens zustande.

ORTE SCHAFFEN X | FS 14

Die Tore zum Adula

Das Adula ist durch eine hohe natürliche und kulturelle Vielfalt gekennzeichnet. Die Topographien, die unterschiedlichen Klimata, die materiellen Ressourcen, die Fähigkeiten, diese Bedingungen nutzbar zu machen und gleichzeitig den herrschenden Beschränkungen zu entziehen, haben eine Kultur von hoher Diversität innerhalb des Territoriums geschaffen. Differenzen schliessen sich jedoch gegenseitig nicht aus. Identität und Unterschied waren schon immer unauflöslich miteinander verbunden. Denn ohne Unterschiede gibt es keine Identität, genauso wird die Identität nur im Unterschied fassbar. Auch Schwellen und Grenzen können die Zugehörigkeit zu einem Ort stärken und damit Identität schaffen. Insbesondere durch die Markierung wird der Raum für den Bewohner überschaubar, erzeugt Sinn und Verantwortung. Daraus bildet sich Wertschätzung. 

Bei unserem Entwurf geht es um solche Markierungen. An vier verschiedenen Orten im Adula sind Tore zu entwerfen. Diese Tore sind jedoch nicht einzig Zeichen und Material, sie sollen eine kulturelle Aktivität erzeugen. Mit Tor meinen wir Raum. Raum gebildet aus Konstruktion und Material, bestimmt durch die Topographie und den klimatischen Bedingungen. Gerade die Unbestimmtheit der Nutzungen, dieses Zweckfreie schafft Platz für Bedeutungen, Emotionen und Ereignisse – die nicht weniger bedeutenden Elemente einer Architektur aus der Kultur.

Jeder Studierende entwirft am Anfang einen Gebäudetyp unabhängig vom Standort. Der Typ tendiert zum Idealen und Allgemeingültigen und bildet den Hintergrund für die Bauaufgabe. Schliesslich wird dieser Typ in die Realität eines der vier zu Verfügung stehenden Orte verankert. Erst dann wird das Werk in die Bedingungen des Ortes eingebunden und in deren Beziehungen verwickelt. Aus Typ wird Topos.

Wir glauben, durch die ernsthafte Auseinandersetzung mit diesen einfachen und komplexen Dingen, im Widerstreit zwischen zeitgemässen Momenten und der jeweiligen kulturellen Basis, eine Architektur zu erreichen, die dem Originären (wieder) näher kommt. Die Nähe zu den Dingen bewegt den Menschen, bildet in ihm ein anderes Bewusstsein. Dieses Sich-Berühren lassen verspricht die Ästhetik einer Schönheit, die sich nicht nur im Glanz der Oberfläche spiegelt, sondern in der Bedeutung grundlegender Werte. 

Wissenschaftlicher Mitarbeiter: Dr. Josef Perger 
Arbeitsort: Atelier Gisel, Streulistrasse 74a, 8032 Zürich 
Anzahl Studierende: 14 
Unterrichtssprache: Deutsch 
Arbeitsweise: Einzelarbeit 
Aufgabentyp: Entwurf (LV 051-1102-14, 13KP)
Einführung: Dienstag, 18. Februar 2013, 10.00 im Atelier Gisel

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